Gerechtigkeit verstehen: Über die Bedeutung individueller Gleichbehandlung
In meiner täglichen Arbeit als Fachperson bei luniq und im Bereich der Sozialen Arbeit begegne ich immer wieder dem bedeutungsvollen und facettenreichen Thema der Gerechtigkeit. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem oft verwendeten Begriff? Wann wird von wahrer Gerechtigkeit gesprochen und wann nicht? Bedeutet Gerechtigkeit, dass alle Menschen dasselbe erhalten sollten, oder geht es eher darum, allen das zu gewähren, was ihnen individuell zusteht?
Um diese Fragestellung anschaulicher zu gestalten, möchte ich sie anhand einer simplen, jedoch erkenntnisreichen Illustration erläutern:
Die Baseballkisten-Analogie
Auf dem linken Bild sind drei Personen zu sehen, die jeweils denselben Eintrittspreis für ein Baseballspiel bezahlt haben. Beim Eintritt haben sie alle eine gleich hohe Kiste erhalten, um über die Mauer hinweg das Spiel zu verfolgen. Hier liegt jedoch das Dilemma: Trotz des identischen Eintrittspreises und derselben Kiste sind die individuellen Voraussetzungen ungleich. Die drei Personen unterscheiden sich in ihrer Körpergrösse. Eine Person kann mühelos über die Mauer schauen, eine Person kann knapp sehen, und eine Person sieht gar nichts. Die berechtigte Frage lautet: Ist das wirklich gerecht?
Die Lösung: Bedarfsgerechte Ressourcenverteilung
Im rechten Bild zeigt sich eine andere Situation. Hier werden die Kisten beim Eintritt so verteilt, dass alle drei Personen die Möglichkeit haben, das Spiel über die Mauer hinweg zu sehen. Anders als im ersten Bild werden die Ressourcen bedarfsgerecht verteilt, sodass alle drei Personen das Spiel ihrer Lieblingsmannschaft verfolgen und gemeinsam jubeln können. In diesem Beispiel zahlen alle denselben Eintrittspreis und erhalten das, was sie benötigen, um das Spiel zu geniessen.
Gleichheit vs. Gerechtigkeit
Diese schlichte Illustration verdeutlicht eindrucksvoll, dass Gleichheit nicht automatisch Gerechtigkeit bedeutet. In vielen Lebensbereichen sehen sich Menschen mit Behinderung mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert, bei denen eine pauschale Gleichbehandlung nicht ausreicht, um echte Gerechtigkeit zu gewährleisten. Dies trifft insbesondere auf das selbstbestimmte Wohnen zu.
luniq hat sich zum Ziel gesetzt, Menschen mit Behinderung dabei zu unterstützen, ein Leben nach ihren individuellen Bedürfnissen zu gestalten. Unsere Vision besteht darin, eine Welt zu schaffen, in der Gerechtigkeit nicht nur eine leere Floskel ist, sondern eine alltägliche Realität. Die Zufriedenheit und das Wohlergehen unserer Nutzenden stehen dabei im Mittelpunkt. Ich bin stolz, Teil von luniq zu sein und die Nutzenden auf ihrem Weg zu einem gerechteren und erfüllteren Leben zu begleiten.
Herbstliche Grüsse
Kevin Duss
luniq-Fachperson
Bildquelle: https://condorcet.ch/2020/03/braucht-es-den-nachteilsausgleich-fuer-legastheniker/